Frame Grabber versus Erfassungsbox
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Wo sollte der Anwender diese neuen Komponenten sinnvoll einsetzen? Welchen Vorteil haben sie gegenüber den klassischen Frame Grabbern?
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Hat dieser weiterhin noch eine Daseinsberechtigung?
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Wie stehen Erfassungsboxen zu Kameras, welche die modernen Schnittstellen bereits im Gerät haben?
Auf diese Fragen soll dieser Artikel eine Hilfestellung geben.
Im Gegensatz zu einem klassischen Frame Grabber werden diese Einheiten an den PC, auf dem die Bildverarbeitung durchgeführt wird, extern angeschlossen. Die Schnittstelle nach außen bringen moderne PCs in der Regel bereits mit. Am weitesten verbreitet ist dabei die USB-Schnittstelle, aber auch FireWire und Gigabit-Ethernet ("GigE") haben sich inzwischen stark etabliert. Dies sind weitere mögliche Wege, wie Bilddaten in den Hauptspeicher des Auswerte-PCs gelangen können.
Um die am Markt vorhandenen Kamera-Technologien unterstützen zu können, sind zahlreiche verschiedene Formen von Erfassungsboxen verfügbar. Sie sind in der Lage, analoge Kameras mit gängiger Videonorm, CameraLink- oder LVDS-Kameras zu erfassen.
Generell funktionieren diese Boxen wie ein Frame Grabber: Sie erfassen das Kamerasignal, puffern es, sortieren es falls nötig und übertragen es dann über das Interface in den Hauptspeicher des PCs. Einige Erfassungsboxen können wie ein Frame Grabber getriggert werden und lösen dann eigenständig das Bild an der Kamera aus. Manche Boxen sehen auch Vorverarbeitungsmöglichkeiten wie Sortierung, Bayer-RGB-Konvertierung und vieles mehr vor. Einige Hersteller bieten auch Boxen an, bei denen mehrere Kameras an eine Einheit angeschlossen werden können. Bei diesen Produkten werden die Bilddaten dann entweder parallel oder über Multiplexer übertragen.
Vorteile von Erfassungsboxen
Der große Vorteil dieser Erfassungsboxen ist ihre Flexibilität. Einerseits kann, wie beim Frame Grabber, die große Vielfalt an ausgereiften und gängigen Analog-, CameraLink- und LVDS-Kameras genutzt werden. Andererseits ermöglichen diese Geräte einen wesentlich flexibleren Aufbau von Bildverarbeitungs-Systemen: Im Gegensatz zu einem Frame Grabber kann eine Erfassungsbox bis zu 100 Meter weit entfernt vom PC an geeigneter Stelle, z.B. in einem Schaltschrank, eingebaut werden. Dadurch hat der Anwender einen größeren Integrationsspielraum. Zudem können die Auswerte-PCs von den Abmessungen her kleiner ausfallen, da beim Einsatz einer externen Erfassungsbox keine PCI-Einsteckkarte mehr nötig ist. Die Boxen selbst sind sehr klein und liegen in der Größenordnung von ca. 100 x 100 x 40 mm. Zusätzlich erleichtert der externe Anschluss an den PC die Integration.
Erfassungsboxen ermöglichen darüber hinaus einen einfachen Aufbau von Multi-Kamera-Systemen. Speziell Gigabit-Ethernet kann hier trumpfen, da diese Technik ja aus der Netzwerktechnik kommt und daher von vorneherein dafür gerüstet ist, ein Netzwerk aus (fast) beliebig vielen Quellen und PCs aufzubauen. Die bei Gigabit-Ethernet eingesetzten Leitungen sind die gleichen, die in der Industrie heute schon für die Vernetzung von Systemen verwendet werden und somit als industrietaugliche Komponenten erhältlich.
Ein starker Nachteil der Erfassungsboxen ist hingegen die Datensicherheit. Bei Frame Grabbern ist die physikalische Verbindung über ein oder mehrere direkte Kabel realisiert. Es lässt sich daher stets eine genaue Aussage treffen, wann und wo ein Signal läuft, wie lange es braucht und wann es ankommt.
Bei GigE, USB und FireWire werden die Daten hingegen in Pakete unterteilt und dann versendet. Selbst bei einer einfachen Topologie aus nur einer Kamera, einer Erfassungsbox und einem PC ist der genaue Verlauf der Datenübertragung somit nicht mehr exakt vorhersagbar. Bei Bildverarbeitungssystemen, die an einem Netzwerk arbeiten, ist eine sichere zeitliche Zustellung des Datenpakets aufgrund der möglicherweise höheren Priorisierung anderer Geräte gar nicht mehr gewährleistet.
Zweiter Nachteil der Erfassungboxen: Bei GigE, USB und FireWire ist die tatsächliche Bandbreite im Gegensatz zu CameraLink-, Analog- oder PCI-Frame Grabbern nicht unbedingt sicher: Entweder der Anwender nutzt die volle Datenrate, doch dann ist die Übertragung nicht komplett gesichert. Oder er gibt der Übertragungssicherheit Priorität, doch dies funktioniert nur auf Kosten der Bandbreite. Checksummen bieten hier zwar die Möglichkeit, Datenverluste zu erkennen, doch diese Technik ist meist nur bedingt in die Treiber implementiert. Hinzu kommt, dass bei keiner Technologie genau vorhergesagt werden kann, mit welcher Zeitverzögerung die Daten der Kamera im Hauptspeicher landen. Natürlich fallen diese Nachteile nur bei größeren Datenmengen ins Gewicht.
Stärken der Frame Grabber-Technologie
Bei zeitkritischen Aufgaben, die mit Hilfe von Bildverarbeitung gelöst werden sollen, ist es sehr wichtig, das Datentiming genau vorhersagen zu können. An dieser Stelle spielt der klassische Frame Grabber seine große Stärke aus. Keine Technologie bietet bei gleicher Flexibilität eine gleichwertige Datensicherheit. Einige Bilderfassungs-Karten bieten zum Beispiel die Möglichkeit, nicht nur einen Datenverlust zu erkennen, sondern sogar genaue Informationen zu liefern, wann und an welcher Stelle des Daten-Transfers dieser Fehler entstanden ist. Damit hat der Anwender oder das System die Möglichkeit zu reagieren.
Ein weiterer Vorteil von Frame Grabbern gegenüber den Erfassungsboxen ist die Funktionalität und Effektivität der Treiber. Bei FireWire, USB und Gigabit-Ethernet greift man meistens auf bestehende Treiber z.B. von Microsoft zurück, die aber nicht für die Bildverarbeitung optimiert sind. Schreibt der Hersteller den Treiber selbst, so ist dieser nicht immer mit den eingesetzten Chipsätzen der Schnittstellen-Hardware im PC kompatibel. Der Anwender muss sich also auf eine längere Implementierungszeit einstellen, als er bei diesen "standardisierten" Schnittstellen erwartet. Kameras mit hohen Datenraten, oder Multi-Kamera-Systeme mit Gesamtdatenraten von über 100 MByte/s können derzeit und zukünftig nur mit Frame Grabber in den PC transferiert werden. Mit den aufkommenden Bussystemen PCI-X oder PCI-Express sind hier heute schon Datenraten von 1GB/s möglich.
Natürlich muss man auch die Nachteile von Frame Grabbern betrachten: Sie erfordern grundsätzlich etwas mehr Know-how des Anwenders. Unter anderem ist es immer erforderlich, zum Einbau der Karte den PC zu öffnen, was Endanwendern oft schon etwas Überwindung kostet. Zudem sind zumindest bei PCI-Bus-Grabbern etwas größere PCs erforderlich als bei Erfassungsboxen. Da Frame Grabber in der Regel über eine höhere Funktionalität verfügen, sind sie in der Bedienung zwangsläufig komplexer und meist auch etwas teurer als Erfassungsboxen. Da Frame Grabber immer im PC eingebaut sind, verfügen sie zudem eben nicht über die oben beschriebene Flexibilität bezüglich der Topologie.
Fazit
Die Diversifizierung der Technologien wird auch in Zukunft weiter fortschreiten. Jede Aufgabe bedarf einer speziellen Technologie, so dass zukünftig für jede Aufgabe genau die richtige Lösung existieren wird. USB und FireWire sind die flexiblen Schnittstellen im niedrigen Datenbandbreiten-Bereich. Bei Aufgaben, bei denen eine hohe Datensicherheit oder schnelle Kameras erforderlich sind, werden die Frame Grabber weiterhin bestehen. Im mittleren Bereich ist Gigabit-Ethernet interessant.
Obwohl insgesamt die Handhabung der Komponenten einfacher wird, ist es für den Anwender weiterhin wichtig, sich von einem kompetenten Fachmann beraten zu lassen, welche Technik jeweils genau die richtige Lösung für seine Aufgabe darstellt. Bei Fragen zur Ihren individuellen Anwendungsmöglichkeiten helfen Ihnen unsere Experten gerne weiter.