Bildverarbeitung im Einsatz -  Anwendungsbeispiele aus zahlreichen Branchen

Industrielle Bildverarbeitung

in der Praxis

Kundenreferenzen und Anwendungsbeispiele

Bildverarbeitungsoption optimiert Blechprüfung - Besser als der Mensch

Für Routine-Blechprüfungen nach ISO 16630 hat Erichsen zusammen mit STEMMER IMAGING ein Bildverarbeitungsmodul entwickelt, um den Prüfablauf weiter zu automatisieren, den „menschlichen Faktor“ auszuschließen und zusätzlich einen Qualitätssprung bei der Dokumentation zu realisieren. Diese Maßnahmen sind Grundlage für Industrie 4.0-Konzepte und Cloud-Applikationen.

Das erste Prüfverfahren für Bleche überhaupt, die Tiefungsprobe, hat der Norweger A.M. Erichsen im Jahre 1913 patentiert. Dieses weltweit angewandte Standard-Prüfverfahren führte zur internationalen Bekanntheit der heutigen Erichsen GmbH, u.a. für ihre universellen Blechprüfgeräte. Dazu gehören heute auch Prüfgeräte für Untersuchungen an Tiefzieh-Aufweit-Proben (KWI-Test bzw. ISO 16630). Dieser Standardversuch dient der Qualitätssicherung bei Blechen mit bis zu 6 mm Stärke. Proben werden typischerweise am Anfang der zu verarbeitenden Coils genommen. Erichsen-Blechprüfmaschinen sind weltweit in Walzwerken, der Automobilindustrie und in Forschungslaboren im Einsatz.

Gute Gründe für die Blechprüfung

Seit Jahrzehnten werden Autos mit Blick auf die Sicherheit der Insassen so konstruiert, dass die kinetische Energie bei einem Aufprall möglichst durch die Verformung von Teilen der Karosse außerhalb der Fahrgastzelle vernichtet wird. Die aus Gewichtsgründen aus möglichst dünnen Blechen geformten Profile, z.B. der Stoßfänger, Seitenträger, Türschweller, A-, B-, und C-Säulen, Querträger oder Dachbögen usw. müssen die berechnete Steifigkeit liefern, die sich aus den realen Materialeigenschaften der Bleche ergibt. Weitere Beispiele sind Tiefziehteile wie Getränkedosen, Kartuschen, Hülsen, Wannen, Düsen usw., die bei der Herstellung aus Blechen möglichst gleichmäßige Wandstärken verlangen und auf jeden Fall keine Risse aufweisen dürfen. Auch hier wird das Ausgangsblech vorab geprüft, um Ausschuss zu vermeiden. Dafür relevante Daten sind mit einfachen Zugversuchen zur Ermittlung der Streckgrenze nicht zu erzielen.

Probenvorbereitung und Prüfablauf

Ein immer wichtiger werdender Versuch im Bereich der Blechprüfung ist das sogenannte Lochaufweitungsverfahren nach ISO 16630. Vor der eigentlichen Prüfung steht die Herstellung der Proben. Diese werden mit derselben Maschine gewonnen, die auch als Prüfmaschine zum Einsatz kommt. In unserem Beispiel ist das die Universal-Blechprüfmaschine Modell 142-Basic der Erichsen GmbH & Co. KG im nordrhein-westfälischen Hemer. In die Mitte der rechteckigen Blechprobe wird ein Loch von 10 mm Durchmesser gestanzt. Nach dem Einlegen der Blechprobe (ein Test besteht aus 3 Proben) drückt ein konischer Stahldorn elektrohydraulisch angetrieben mittig von unten durch das zuvor in gleicher Richtung ausgestanzte Loch und weitet es bis zu dem Augenblick auf, bei dem Risse am Innenrand des durch den Stahldorn aufgeweiteten Stanzlochs auftreten.

Thema für die Bildverarbeitung

Die Beobachtung der auftretenden Risse erfolgt bisher durch eine erfahrene Bedienperson, die von oben auf die Probe blickt, die Maschine beim Erkennen eines Risses manuell stoppt und den Durchmesser anschließend mit einem Messschieber bestimmt. Das funktioniert auch gut, sonst könnte das Verfahren kein ISO-Standard von weltweiter Bedeutung sein.

Es geht aber auch besser - mit Bildverarbeitung: Kein Personenbezug, keine Tagesform-abhängigkeit, konstante Sichtverhältnisse. Das in seinen Parametern genau spezifizierte Prüfverfahren wird durch Bildverarbeitung mit einem ebenso reproduzierbaren Beobachtungsverfahren optimiert und führt so zu einer höheren Zuverlässigkeit der Ergebnisse, zu höherer Genauigkeit und Wiederholbarkeit, zu engeren Toleranzen bei der Auswertung und einem in Bildern und Messwerten vollständig dokumentierten, digital verfügbaren Prüfablauf.

Der elektronische Blick

Die Idee, Bildverarbeitung in seine Blechprüfmaschinen zu integrieren, kam dem bereits mit Vision-Systemen vertrauten Erichsen-Geschäftsführer Ludger Wahlers im Gespräch mit Kunden. Ein erster Lösungsansatz war schnell skizziert. Aber dann ging es um die konkrete Umsetzung. „Die gute Idee zu haben ist das eine“, beschreibt Wahlers seine damalige Situation, „die Umsetzung mit gängigen Komponenten das andere. Da braucht man einen Lieferanten, mit dem man viele Varianten durchspielen kann. Am liebsten wollte ich Kamera, Optik, Beleuchtung, Auswerte-Software, also den ganzen Bildverarbeitungsbaukasten aus einer Hand beziehen.“

Fündig wurde Wahlers bei STEMMER IMAGING: Ein erfahrener Vertriebsingenieur, Florian Mayr, bei Europas größtem Vision-Technologielieferanten konnte ihm aus der enorm großen Produktvielfalt des Unternehmens schnell die technisch geeigneten und dem Kostenrahmen entsprechenden Komponenten auswählen. Die Komponentenauswahl erfolgte dabei nach einer zweistufigen Machbarkeitsstudie bei STEMMER IMAGING und bei Erichsen.

Der finale Aufbau ist in Bild (links) zu sehen: Die zu beobachtende Szene mit metallischen Oberflächen wird von einer diffus strahlenden Ringleuchte von CCS reflexionsarm ausgeleuchtet. Eine Herausforderung war hierbei, dass sich der Prüfstempel beim Prüfvorgang bis zu 40 mm vertikal nach oben bewegt. Entsprechend muss die ringförmige Lochkante im Blech über diesen relativ weiten Bereich verzeichnungsfrei beobachtet werden, um verwertbare Bilder für die genaue Vermessung des Durchmessers zu liefern. Damit war klar, dass ohne ein telezentrisches Objektiv, in diesem Fall von Opto Engineering, keine optimale Lösung zu erzielen ist.

Die Kamera übernimmt die Funktion des bislang menschlichen Bedieners. Zum Einsatz kam ein Modell aus der Manta-Familie von Allied Vision, eine monochrome Flächenkamera mit GigE Vision-Schnittstelle. Diese Kamera ist dem menschlichen Auge mit ihrer Aufnahmegeschwindigkeit von 30 Bildern pro Sekunde knapp und mit einer Auflösung von ca. 30 µm pro Pixel deutlich überlegen und stellt die zuverlässige Erkennung von Rissen ab 150 µm sicher. Die gewählte Kamera hat den zusätzlichen Charme von zwei integrierten, frei programmierbaren I/Os. Darüber erfolgt die Steuerung der in der Prüfmaschine integrierten SPS: Sobald die Bildverarbeitungssoftware bei einer typischen Ziehgeschwindigkeit von 10 mm/min den Beginn eines Risses in der Lochkante entdeckt, wird sofort ein Signal zum Stoppen der Maschine gesendet.

Anschließend wird mit Hilfe eines Kreisfits der innere Lochdurchmesser bestimmt. Rissdetektion und Vermessung erfolgen mit Hilfe verschiedener BV-Tools der Software Sherlock von Teledyne Dalsa, die sich als Entwicklungsumgebung bei Inspektionsaufgaben in den unterschiedlichsten Branchen bewährt hat. Das Monitorbild der Erichsen-Prüfmaschine setzt auf dem grafischen Sherlock-Interface auf und kommt von Erichsen selbst. Es lässt sich leicht kundenspezifisch modifizieren.

Der komplette Beobachtungsaufbau ist rastend an einem Schwenkarm montiert, so dass der Zugang zur Prüfkammer von oben ungestört möglich ist und trotzdem alle Prüfungen aus einer reproduzierbaren Position beobachtet werden. Die Mehrkosten für das Bildverarbeitungsmodul liegen derzeit bei rund 15 % der Kosten für die Blechprüfmaschine.

Die Zusammenarbeit mit STEMMER IMAGING bei diesem Projekt war wirklich beispielhaft gut. Obwohl wir uns der Lösung dieses Projekts von verschiedenen Seiten genähert haben, war die Kommunikation immer klar und zielgerichtet. Die Unterstützung sowohl in der Entwurfsphase als auch bei der Implementierung und Programmierung der Applikation war extrem hilfreich und für die erfolgreiche Umsetzung des Projektes mit entscheidend. Ich bin sicher, dass wir auf dieser Basis gemeinsam weitere Ideen erfolgreich umsetzen werden“, stellt Wahlers mit großer Zufriedenheit fest.

Ausblick

Zur Verbesserung der Wiederholgenauigkeit des Prüfvorgangs und der Reproduzierbarkeit der Prüfergebnisse hat Erichsen gemeinsam mit STEMMER IMAGING einen Bildverarbeitungszusatz für Routine-Blechprüfungen nach ISO 16630 entwickelt. „Damit wird die Reproduzierbarkeit eines normgerechten Versuchs wesentlich erhöht“ , so Wahlers, „die Ergebnisse sind sicherer und zusätzlich wird eine höhere Qualitätsstufe der Dokumentation erreicht“, erläutert der Erichsen-Geschäftsführer.

„Wir wollen den Anwendern das Leben mit der Norm einfacher machen. Durch die digitale Aufzeichnung der Prüfvorgänge in Form von Messdaten und Bildserien können Anwender die Prüfdaten auswerten und zur eigenen Qualitätsverbesserung nutzen. Ich bin sicher, dass sich aus diesen Daten bei der Blechprüfung ganz neue Möglichkeiten für Industrie 4.0-Konzepte und Cloud-Applikationen entwickeln.“